Die EU-Mitgliedsstaaten müssen Arbeitgeber künftig verpflichten, die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter genau zu erfassen. Das hat der Europäische Gerichtshof im Mai entschieden. Was könnte das für die deutschen Arbeitgeber bedeuten?
Die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof war von einer spanischen Gewerkschaft eingereicht worden. In Spanien gilt wie in Deutschland, dass zwar Überstunden dokumentiert werden müssen, nicht aber Arbeitszeiten.
Der EuGH stellte sich auf den Standpunkt, dass die Erfassung der Überstunden eine verlässliche und nachvollziehbare Erfassung der Arbeitszeit voraussetzt und gab damit der klagenden Gewerkschaft recht.
Ob das deutsche Arbeitszeitgesetz nun geändert werden muss, oder auch so interpretiert werden kann, dass die Arbeitgeber für die Aufzeichnung der Überstunden auch die Arbeitszeit festhalten muss, ist umstritten.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht keinen Bedarf für eine Neufassung des Gesetzes, Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bereits angekündigt, in den kommenden Monaten einen Entwurf für eine Neuregelung vorzulegen.
Das EuGH-Urteil wird nicht nur von den Arbeitgebern kritisch gesehen, denn die Digitalisierung der Wirtschaft und der gesellschaftliche Wandel erfordern zunehmend flexiblere Arbeitszeiten. Als Zukunftsmodell galt bisher die Vertrauensarbeitszeit, bei der sich Arbeitnehmer ihre Aufgaben selbst so einteilen, dass sie fristgerecht fertig werden. Kritiker bezweifeln, dass solche Arbeitszeitmodelle nach der EU-Vorgabe Bestand haben werden, weil der bürokratische Aufwand zu hoch wäre, sie rechtssicher und datenschutzkonform.
Nun hat der EuGH selbst auf zulässige Ausnahmen hingewiesen, etwa für Tätigkeiten, bei denen die Arbeitszeit nicht so einfach zu messen ist. Auch die Größe der Betriebe darf bei der Ausgestaltung des Urteils durch die EU-Mitgliedsländer eine Rolle spielen.
Die deutsche Politik könnte ihren Gestaltungsspielraum auch nutzen, um die festgelegten täglichen Arbeits- und Ruhezeiten grundsätzlich flexibler zu gestalten. Das wird von Arbeitgebern schon lange gefordert und ist grundsätzlich auch im Koalitionsvertrag verabredet. Dies könnte den Aufwand, den die Umsetzung EuGH-Urteil nach Auffassung vieler Arbeitgeber erfordert, ausgleichen.
Bis eine EU-rechtskonforme Neufassung des deutschen Arbeitsrechts vorliegt, werden noch einige Monate vergehen. Arbeitgeber, die sofort Rechtssicherheit wollen, sollten sofort entsprechende Systeme zur Arbeitszeiterfassung ausprobieren und installieren. Von der Stechuhr über die mobile App bis zur Excel-Tabelle ist vieles möglich. Die Arbeitnehmer könnten auch dazu verpflichtet werden, selbst ihre Arbeitszeit zu erfassen. Der Arbeitgeber muss aber überprüfen, ob die aufgeführten Stunden den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, genügend Pausen und nicht zu viele Überstunden enthalten.
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