Frage: Die Luxemburger Richter haben festgestellt, dass die HOAI gegen europarechtliche Verpflichtungen verstößt. Wie wird diese Entscheidung von deutschen Gerichten umgesetzt?
RA Göldner: Zuletzt hat das Landgericht München I (Beschluss vom 31. Januar 2020, Az. 8 O 1866/13) festgehalten, dass die EuGH-Entscheidung die staatliche Verpflichtung begründe, diesen Verstoß zu beenden. Folglich dürften auch die Gerichte das gerügte nationale Recht nicht mehr anwenden. Das heißt: das bislang zwingende Preisrecht der HOAI ist quasi tot, was – wie mir scheint – noch nicht bei allen Architekten und deren Beratern angekommen ist, die sich mit dieser Thematik befassen.
Frage: Gilt der Richterspruch des EuGH nur für Verträge, die nach dem 4. Juli 2019 geschlossen wurden?
RA Göldner: Das ist leider nicht ganz klar durch die Richter beantwortet worden. Ich gehe aber davon aus, dass die nationalen Gerichte diese Entscheidung auf schwebende Verfahren anwenden werden. Das bedeutet, dass das Urteil dann für alle noch nicht abgerechneten Verträge gilt, in denen ein Honorar unterhalb oder oberhalb der Mindestsätze der HOAI vereinbart wurde.
Frage: Welche Linie zeichnet sich bisher bei der Umsetzung des EuGH-Urteils in deutsches Recht ab?
RA Göldner: Aufgrund des Urteils hat die Bundesrepublik Deutschlan die Pflicht, die beanstandeten Regelungen „so schnell wie möglich“ aufzuheben. Das kann aber bis zu einem Jahr dauern, weil für die notwendigen Gesetzesänderungen parlamentarische Verfahren eingehalten werden müssen.
Frage: Aber die HOAI-Mindest- und Höchstsätze gelten trotzdem nicht bis zur Aufhebung durch neue deutsche Gesetze weiter?
RA Göldner: Nein, die Gerichte in Deutschland haben ab dem Zeitpunkt des Urteilsspruchs die Pflicht, das EuGH-Urteil in der Rechtsprechung zu beachten. Dies bedeutet, dass die HOAI-Regelungen zwar noch existieren, aber faktisch keine Rechtswirkung mehr entfalten dürfen.
Frage: Was raten Sie Bauherren und Architekten, die sich nicht über Honorarforderungen einigen können?
RA Göldner: Entscheidend ist vor allem, dass überhaupt eine Honorarvereinbarung getroffen wurde! Falls der bisheriger Vertrag lediglich auf die Geltung der HOAI verweist, rate ich Bauherrn und Architekten, in einer ergänzenden Vereinbarung festzuhalten, welche Honorare gelten sollen. Das können auch die Honorare aus den entsprechenden Tafeln der HOAI sein, man muss sich darauf aber nun vorab einvernehmlich durch einzelvertragliche Regelung einigen. Aber eine „Rückfalloption“ auf die verbindlichen Sätze der HOAI gibt es faktisch nach dem EuGH-Urteil nicht mehr.
Frage: Sind von dem EuGH-Urteil weitere Regelungen der HOAI betroffen?
RA Göldner: Nein, es gibt nur keine verbindlichen Höchst- oder Mindestsätze mehr. Die EU-Kommission hat ansonsten weder die Leistungsbilder noch andere Regelungen der HOAI beanstandet, sondern ausschließlich die Verbindlichkeit des Preisrechts. Immer gilt natürlich: der geschlossene Architektenvertrag sollte rechtlich darauf geprüft werden, ob er den Vorgaben des EuGH standhält.
Frage: Zeichnet sich schon ab, wann es mehr Sicherheit bei der Umsetzung des EuGH-Urteils in deutsches Recht geben wird?
RA Göldner: Nein, leider nicht. Alle Betroffenen warten nun auf Entscheidungen, die der Bundesgerichtshof in Kassel wohl am 14. Mai 2020 trifft. Dabei geht es um die Frage, ob es zunächst bei der Anwendung der HOAI bleibt, bis der deutsche Gesetzgeber die Regelungen modifiziert hat. Oder ob bereits jetzt ein Anwendungsverbot der HOAI-Regelungen gegeben ist und die zwischen Bauherr und Architekt vereinbarten Honorarvereinbarungen maßgeblich bleiben.